Am Freitag, 3. Dezember 2021, fand die erste öffentliche Sitzung des Untersuchungsausschusses zu den rassistischen Morden in Hanau am 19. Februar 2020 im Hessischen Landtag in Wiesbaden statt. Die Sitzung wurde von einer Mahnwache der „Initiative 19. Februar Hanau“ vor dem Landtag begleitet. Der Untersuchungsausschuss wurde auf Druck der Angehörigen und Überlebenden erkämpft, für eine lückenlose Ausklärung der noch offenen Fragen sowie für weitere Konsequenzen bezüglich des behördlichen Versagens.
Fragen die beim Untersuchungsausschuss geklärt werden sollen sind unter anderem die Folgenden:Was wussten die Behörden schon vor der Tat über den Täter und dessen Vater und wie wurde mit diesen Informationen umgegangen? Warum war die Notrufnummer an diesem Abend für die Opfer nicht erreichbar? Welche Verantwortung tragen hessische Behörden dafür, dass der Notausgang am zweiten Tatort verschlossen war? Was haben die Polizist*innen an den Tatorten getan, um die Opfer möglichst schnell zu finden und zu versorgen? Welche Versäumnisse gab es beim Polizeieinsatz am Täterhaus? Warum wurde dieses so spät gestürmt? Welche Rolle spielten SEK Beamt*innen, die später in rassistischen Chats aufgefallen sind? Welche Versäumnisse gab es beim Umgang mit Überlebenden und den Familien der Ermordeten am Tatabend und danach bei der Obduktion der Leichname?
Als linksjugend [´solid] Mainz sind wir solidarisch mit den Angehörigen und Überlebenden und fordern eine kritische Aufarbeitung und lückenlose Aufklärung dieser Fragen. Weiterhin stehen wir für den solidarischen Kampf gegen Rassismus und Kapitalismus, denn diese Kämpfe können nur zusammen begangen werden. Rassistische Attentate, wie das in Hanau, sind keine Einzelfälle, Rassismus keine Erfindung der AfD. Rassismus ist ein Pfeiler der kapitalistischen Welt, aus der solche Attentate resultieren. Kampf gegen Rassismus bedeutet also Kampf gegen rechte Parteien wie AfD und NPD und gegen faschistische und rassistische Organisationen. Kampf gegen Rassismus bedeutet aber auch immer Kampf für bezahlbaren Wohnraum und höhere Löhne für alle. Dazu gehört auch die Mobiliserung innerhalb von Gewerkschaften, die zu Kampforganisationen gemacht werden müssen, für mehr Gleichberechtigung und gegen jegliche Ausbeutung. Wir müssen diesen Kampf als Arbeiter*innen, Auszubildende, Schüler*innen und Studierende gemeinsam, solidarisch und international kämpfen und dürfen uns nicht gegenseitig ausspielen lassen. Dazu ist es nötig zu erkennen, dass wir im kapitalistischen System alle die gleichen sozialen Sorgen und Nöte haben, dass wir die Mehrheit sind und unsere Spaltung der kleinen Minderheit der Profiteure des Kapitalismus zugute kommt, indem diese so von ihrer Verantwortung für soziale Probleme ablenken können.
Der Fall Hanau zeigt auch, dass bei rassistischen, rechten Attentaten kein Verlass auf unser bürgerliches Rechtssystem oder die Polizei ist. Nur durch Druck der Angehörigen und Überlebenden kam es überhaupt zur Einrichtung einer Untersuchungskommission. Und das, obwohl das Versagen von Polizeikräften und Staatsanwaltschaft eindeutig ist. So sprach der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) mit Blick auf die Ermittlungen stattdessen von „exzellenter Polizeiarbeit“, während Behörden und Polizei zu ihren Fehlern vor, während und nach der Tat schweigen und stattdessen eher versuchen, die Akten möglichst schnell zu schließen. „Eine Kette des Versagens vor, in und während der Tatnacht“ – das warf die „Initiative 19. Februar“ den verantwortlichen Poltiker*innen, der Polizei und den Behörden zum ersten Jahrestag des Anschlags vor. Wir stehen hinter dieser Kritik. Nach rassistischen Attentaten braucht es aus unserer Sicht unabhängige Untersuchungskommissionen bestehend aus Delegierten aus Gewerkschaften, Migrant*innenverbänden und sozialen sowie linken Gruppen, um von Anfang an eine lückenlose Aufklärung zu gewährleisten. Angehörige sollten sich eine solche Untersuchungskommission neben all dem Leid und der Trauer, die sie erfahren, nicht auch noch mühsam erkämpfen müssen. Unabhängige, lückenlose Aufklärung sollte selbstverständlich sein!
Die Mahnwache vor dem Landtag in Wiesbaden zeigte Solidarität und soll Rückendeckung verschaffen. Dies soll auch bei allen zukünftigen Sitzungsterminen der Fall sein. Die nächsten Termine für die Mahnwachen sind: Freitag, 17.12.21; Montag, 20.12.21; Freitag, 21.01.22. Jeweils um 8.30 Uhr in der Grabenstrasse am Hessischen Landtag. Weitere Termine für 2022 folgen.Wir werden auch bei den kommenden Mahnwachen und Kundgebungen in Wiesbaden vor Ort sein. Schließt euch uns an und zeigt euch solidarisch im Kampf für eine Aufklärung des behördlichen Versagens und gegen Rassimus und Kapitalismus!
Links zu zugrunde liegenden Texten/Artikeln: https://19feb-hanau.org/2021/11/23/ab-3-dezember-untersuchungsausschuss-im-hessischen-landtag-zu-hanau-kommt-zu-den-mahnwachen-und-kundgebungen-in-wiesbaden/
https://solidaritaet.info/2020/02/auf-der-strasse-gegen-rechten-terror/
https://solidaritaet.info/2020/03/nach-thueringen-und-hanau/