Hier der zweite Redebeitrag, der für unser Kundgebung „Wohnen für Menschen statt für Profite“ geplant war. Leider konnte der „Housing Action Day“ in der geplanten Form nicht stattfinden. Redebeitrag: Ökosozialistische Initiative Mainz-Wiesbaden
Das Video zum Redebeitrag findet ihr hier:
Mieten runter! In Ordnung, aber bis wohin? Bezahlbarer Wohnraum! Geritzt, aber von wem? Populäre Forderungen – auch dann, wenn sie von Linken erhoben werden – haben nicht ohne weiteres einen ausreichenden Wahrheitsgehalt.
Mieten runter! Nun gut, aber was sind Mieten und was heißt das, dass der Großteil der arbeitenden Bevölkerung zur Miete wohnt? Es heißt, dass das Wohnen dieses Teils der Bevölkerung an kapitalistische Marktgesetze gebunden ist, dass das Wohnen für die Wohnraumeigentümer Gewinn abwerfen soll. Können wir dem als Sozialisten zustimmen?
Nein! Wir dürfen also nicht Mieten runter! fordern, sondern wir müssen fordern, dass das Wohnen sich nicht mehr nach kapitalistischen Marktgesetzen richtet, dass es aufhören muss, dass der Wohnraum als Ware gehandelt wird, damit aus ihm Gewinn herausgeschlagen wird. Wir müssen unseren grundsätzlichen Kampf für die Vergesellschaftung der Produktionsmittel auch um den Kampf für die Vergesellschaftung des Wohnraums erweitern. Wir müssen also fordern: Vergesellschaftung des Wohnraums! Überführung des Wohnraums der arbeitenden Bevölkerung in Volkseigentum!
Was passiert dann mit den Mieten? Sie werden dann nach den realen Kosten berechnet, die für den Bau und den Erhalt des Gebrauchswerts der Wohnungen aufgewendet werden müssen! Danach also, wie hoch die realen Produktions- und Reproduktionskosten sind, die gesellschaftlich aufgebracht werden müssen. Dann geht es um den Gebrauchswert der Wohnungen und nicht mehr um ihren auf dem Wohnungsmarkt zu erzielenden Tauschwert.
Wenn die Wohnungen in Volkseigentum überführt worden sind, dann gehören sie letztlich denjenigen, die in ihnen wohnen. Die Übergangsforderung, um auf den Weg zur Überführung des Wohnraums in Volkseigentum zu kommen, muss daher heißen: Die Wohnungen müssen schon jetzt denen gehören, die in ihnen wohnen! Wie kann diese Übergangsforderung in die Tat umgesetzt werden? Z.B. durch die demokratische Kontrolle der Wohnungsbewirtschaftung durch die Bewohner, also etwa durch Bewohnerversammlungen, in denen nicht nur überprüft, sondern auch gemeinsam festgelegt wird, welche baulichen und finanziellen Maßnahmen jeweils zu ergreifen sind. Eine solche demokratische Kontrolle leitet an einer entscheidenden Stelle den Bruch mit dem Privateigentum an den materiellen Voraussetzungen der Versorgung der arbeitenden Bevölkerung ein. Im Mittelpunkt der Ökonomie hat das zu stehen, was die Menschen brauchen, nicht das, was dem Privateigentum an den Produktionsmitteln, den Finanztiteln und am Wohnraum die größten Gewinne beschert! Das ist seit je die sozialistische Überzeugung gewesen! Lassen wir uns das nicht durch allbekannte populäre Forderungen verwässern!
Gehen wir einen Schritt weiter. Wohnen bedeutet nicht nur, ein Dach über dem Kopf zu haben. Es bedeutet, wenn wir das Wohnen in der Stadt betrachten, am städtischen Leben Teil zu haben. Die Städte leben nicht nur durch die Geschäfte, sie leben sicher auf ihren Plätzen, aber – um das auf den Punkt zu bringen – sie leben durch ihre Bewohner.
Sie, die die Stadt bewohnen, die in ihr arbeiten, sie, die Bäcker, Kanalarbeiter, Maurer, Architekten usw., die die Städte erbauen und bewohnbar machen, haben ein Recht auf ihre Stadt. Was heißt das? Das heißt, dass nicht nur die Wohnungen denen zu gehören haben, die in ihnen leben, sondern auch die Städte, die sie bewohnen, mit ihrer Arbeitskraft aufbauen und die das so sehr begehrte städtische Leben, die Urbanität, erzeugen.
Genauso, wie das Menschenrecht des Wohnens nur durchgesetzt werden kann, wenn das Wohnen von den kapitalistischen Marktgesetzen losgekoppelt wird, genauso kann das Recht auf Stadt – das Recht auf das städtische Leben – nur realisiert werden, wenn die kapitalistischen Marktgesetze nicht mehr die Städteplanung bestimmen. Recht auf Stadt! Diese Forderung schließt ein, dass z.B. den Finanzinvestoren die Möglichkeit genommen wird, sich mit den stets steigenden Gewinnen aus dem Kauf und der Verwertung von Grundstücken die Taschen vollzustopfen. Sie schließt die entschädigungslose Enteignung ihres Eigentums an städtischem Grund und Boden ein, damit sie das städtische Leben nicht mehr in ihrem Sinn vernutzen können!
Wohnen, Recht auf Stadt und das Recht auf Mobilität gehören zusammen! Ohne eine sozialistische Transformation können diese Grundrechte nicht realisiert werden.
Mainz, 29.3.2020
Friedrich Voßkühler