Die Entstehung von „Fridays for Future“:
„Fridays for Future“ (FFF) entstand Ende letzten Jahres als eine Bewegung aus autonomen Ortsgruppen (OG). Die Ortsgruppen organisierten sich primär über WhatsApp und die Gründer der Ortsgruppen wurden oftmals automatisch zu Delegierten in einer bundesweiten WhatsApp-Gruppe. Vielerorts waren Mitglieder von NGOs (z.B. BUND Jugend, Greenpeace) an den Gründungen beteiligt und führten auch nachher wichtige organisatorische Aufgaben weiter, ohne die Mitgliedschaft in ihrer Organisation klar zu benennen. In den schnell wachsenden Ortsgruppen wurden daraufhin Plena eingeführt, auf denen aber nach Erfahrungen von Aktiven aus Mainz und Stuttgart immer dieselben Menschen die Themen und die Meinungen vorgaben. Auch war die Teilnehmer Zahl an den Plena oftmals bei weitem kleiner als die Teilnehmerzahl in den sozialen Medien (WhatsApp-Gruppen, Facebook-Gruppen etc.). Dies lag vor allem auch an organisatorischen Schwächen und an der Unerfahrenheit vieler Aktivist*innen. In Mainz wurden die Plena kurzfristig, zum Beispiel nur mit einer WhatsApp-Nachricht am Tag vorher angekündigt, die ohnehin in der WhatsApp-Gruppe unterging. Häufig wurden Informationen von den leitenden Personen zurückgehalten. Zum Beispiel wurden wichtige Treffen, wie mit der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin in Mainz von der örtlichen Orga-Gruppe zurückgehalten und nur am selben Tag bekannt gegeben und grundsätzliche Diskussionen, wie die Wahl der Delegierten zu dem Treffen, waren nicht mehr möglich. Auch inhaltliche Diskussionen kamen auf den Plena häufig zu kurz, weil man sich in organisatorischen Details aufhielt. Plena dienten vielerorts nur als Legitimation und nicht als Grundlage für politische Arbeit. So wurde in Stuttgart auf mehreren Plena hintereinander diskutiert, ob Fahnen und Flyer von Organisationen erlaubt sein sollen. Das wurde mehrheitlich angenommen. Beim nächsten Plenum wurde es wieder angenommen, bis es irgendwann abgelehnt wurde. In Stuttgart finden die Plena mittlerweile wöchentlich statt in Mainz weiterhin selten und unregelmäßig.
Die Entstehung der bundesweiten Forderungen:
Februar dieses Jahres fand sich eine Gruppe Menschen (eine einstellige Anzahl an wirklich Aktiven) zusammen, die aus verschiedenen deutschen Städten stammen (interessanterweise nur aus westdeutschen Städten), mit dem Zweck, bundesweite „offizielle“ Forderungen für die Bewegung FFF zu formulieren. Wichtig hierbei ist, dass dies nie von den OGs beschlossen worden war und niemand ihnen ein Mandat erteilt hatte. Erst später wurde die Existenz dieser Gruppe (zumindest in einigen OGs) öffentlich und einige Aktivist*innen, welche spontan Interesse bekundeten, wurden in die WhatsApp-Gruppe aufgenommen. Jedoch war das Interesse größer als erwartet und alle Aktivist*innen, die neu in die Gruppe gekommen waren, wurden gebeten, die Gruppe wieder zu verlassen und in eine „read-only“-Gruppe beizutreten. In dieser sollte, dann alles geregelt und beschlossen werden. Das stimmte aber nicht, in der ursprünglichen WhatsApp-Gruppe werden bis heute Entschlüsse gefällt. Die Inhaltliche Arbeit wurde auf den Plattformen „Slack“, „Zoom“, „Doodle“ und auf diverse Pads verlagert. Dort kam es zu regelmäßigen bis zu 6 stündigen Telefonkonferenzen und zu Diskussionen auf Slack, deren Thema nie klar festgelegt war. Zuerst wurden von dem kleinen Orgakreis Prämissen präsentiert, nach denen sich die Forderungen richten sollten, wer diese beschlossen hatte, war nicht nachvollziehbar, aber sie durften nicht in Frage gestellt werden, weil sonst der Zeitplan durcheinanderkäme, nach dem die Forderungen ausgearbeitet werden sollten. Die Prämissen:
- Die Forderungen sind in 11 bestimmte Punkte untergliedert (Warum 11?)
- Die Forderungen dürfen nichts mit Umweltschutz oder Verteilungsgerechtigkeit zu tun haben, sondern dürfen nur Klimaschutz befassen (Gehört Umwelt und soziale Gerechtigkeit nicht zu unserer Zukunft?)
- Die Forderungen dürfen nicht radikal sein, weil das Leute abschreckt. (fordern wir etwa nicht das, was nötig ist, um unsere Zukunft zu retten? Greta Thunberg sagte doch auch: „Wenn Änderung in diesem System nicht möglich ist, dann müssen wir halt das System ändern!“)
Auf der Plattform „Slack“ beteiligten sich ein paar weitere Menschen an der inhaltlichen Arbeit, jedoch repräsentierten sie nur ihre eigenen Ansichten und waren nicht von den OGs gewählt worden.
Doch nach ein paar Tagen wurde zu allem Überfluss mitgeteilt, dass jetzt doch die soeben erarbeiteten konkreten inhaltlichen Forderungen verworfen werden und Wissenschaftler*innen die Forderungen für uns aufstellen sollen. Wer das beschlossen hatte, war wieder in keiner Weise nachvollziehbar. Die Auslese der Wissenschaftler*innen wurde nicht von der Basis vorgenommen und geprüft, sondern, wer zuerst eine/einen Wissenschaftler*in zu einem Thema anfragte, gab somit die Richtung vor.
Schließlich kam am Rosensonntag der Tag, an dem der Forderungskatalog, der von dem kleinen Gremium und einigen weiteren Personen, die sich auf „Slack“ beteiligt hatten, erarbeitet worden war, in die Delegierten-WhatsApp-Gruppe geschickt wurde, damit die Delegierten ihn in die OGs weiterleiteten. Doch nach wenigen Minuten machte eine weitere Nachricht von einem bis dato unbekannten Absender die Runde, in der stand, dass die Forderungen unverzüglich gelöscht werden müssten und auf keinen Fall an die Presse geraten dürften, weil sie nicht eindeutig seien und keine Legitimität hätten. Dahinter wurden rote Ausrufezeichen und Flammen Emoticons verschickt. Diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer und wo noch möglich wurde der Katalog aus den OG-Gruppen gelöscht. In der WhatsApp-Gruppe des kleinen Gremiums brach Panik aus, denn erstmals nahmen sie die Zweifel an der Legitimität ihrer Forderungen ernst. Viele Textnachrichten liefen hin und her und schließlich erklärte sich eine kleine Gruppe Menschen, die gerade zufällig auf einer BUND Jugend-Veranstaltung in Berlin („Power-on-Konferenz“) waren für zuständig, das weitere Verfahren mit dem Katalog zu beschließen. Obwohl jetzt vermehrt auf die nicht im Ansatz vorhandene demokratische Legitimität der Power-on-Konferenz hingewiesen wurde, hieß es von den Konferenzteilnehmern nur: „Hört auf zu diskutieren. Wir klären das von Mensch zu Mensch auf der Power-on. Vertraut uns.“ (Das ist kein wörtliches Zitat, aber es ist der sinngemäße Inhalt mehrere Nachrichten). Der Widerspruch gegen die Beschlüsse der Konferenz verstummte. Auf Vorschläge, die OGs zu befragen wurde noch nicht eingegangen oder es wurde geantwortet, dass einen solchen Beschluss hier zu fällen undemokratisch sei. Mittlerweile wurde der Forderungskatalog unverändert neu veröffentlicht, diesmal mit einem deutlichen Hinweis, dass diese Forderungen nicht demokratisch legitimiert sind. Nun sollen die Forderungen durch eine Internetabstimmung legitimiert (oder eventuell angepasst) werden. Eine Diskussion der Forderungen in den Ortsgruppen ist nicht vorgesehen, ebenso wenig eine demokratische Wahl des Gremiums, das an den Forderungen arbeitet.
Wir denken, dass es Zeit ist für eine starke Bewegung, welche sich zum Ziel setzt, die bestehende Klimapolitik anzugreifen und in eine Richtung zu lenken, welche im Interesse von Mensch und Natur ist. Wir sehen in „Fridays for Future“ durchaus das Potenzial für eine solche Bewegung. Dennoch sind wir der Meinung, dass dafür einiges in der strukturellen Arbeit geändert werden muss und schlagen FFF folgendes vor um sich demokratischer zu organisieren:
- Organisatorische und inhaltliche Fragen sollten auf getrennten, zeitig (3-Tage) vorher angekündigten Plena diskutiert und beschlossen werden.
- Plena müssen regelmäßig stattfinden, damit die Arbeit der OGs von den WhatsApp-Gruppen auf die Plena verschoben wird.
- An den einzelnen Schulen, Hochschulen und Betrieben sollten sich Gruppen organisieren, die sich mit der Umweltthematik inhaltlich auseinandersetzen (Umwelt-AG) und ihre Arbeit ins Stadtplenum tragen. Das würde zu einer fundierten inhaltlichen Debatte führen.
- Wenn die Stadtplena beschließen, dass es bundesweite „offizielle“ Forderungen geben soll, sollen diese nicht vom erstbesten Wissenschaftler aufgestellt werden, sondern müssen von Delegierten der Stadtplena nach oben getragen werden.
- Es muss mit Delegierten auf Bundesebene gearbeitet werden. Zu sagen, die 20 Leute, die gerade für eine Telefonkonferenz Zeit haben und in den Strukturen noch durchblicken, repräsentieren FFF auf demokratische Weise, ist verkehrt. Die Delegierten sollen die Meinung der OG weitertragen und ihr zeitnah Bericht erstatten.
- Es ist nicht demokratisch, einen fertigen Forderungskatalog als Komplettpaket an die Ortsgruppen zum Abnicken zu schicken, sondern es wäre ein demokratisches Vorgehen, die einzelnen Ortsgruppen zu fragen, wie weit sie in bestimmten Themenbereichen mit Forderungen gehen wollen und wie wichtig ihnen welche Anliegen sind. Zum Beispiel ist in den Ortsgruppen sehr wohl Umweltschutz ein wichtiges Thema, auch wenn er nicht unmittelbar mit Klimaschutz zusammenhängt.
- Wir brauchen ein demokratisches FFF, dessen Strukturen nicht in irgendwelchen Internetforen versinken, die nur von versierten Einzelpersonen durchschaut werden, sondern das von unten nach oben organisiert und durchsichtig ist. Wir brauchen eine gewählte Führungsebene, welche jederzeit rechenschaftspflichtig ist und jeder Zeit wähl- und abwählbar ist. Jede Ortsgruppe muss Inhalte im Plenum besprechen und sie dann über Delegierte nach oben weitertragen. Im Moment ist es andersrum und es kommen von oben Vorschläge, denen die Ortsgruppen zustimmen sollen (Die Entwürfe wurden sogar mehrere Tage geheim gehalten).
- FFF darf nicht in der Diskussion über Jahreszahlen und Machbarkeit versinken, sondern muss klare und radikale Forderungen erarbeiten, die uns nicht vielleicht irgendwann ganz knapp retten, sondern die dieses System der profitgierigen Ausbeuter abschaffen und durch ein System, das den Bedürfnissen von Mensch und Natur folgt, ersetzen.
- Organisationen und Parteien, welche sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen und nicht rassistisch oder sexistisch sind, sollen sich an der FFF Bewegung beteiligen dürfen und dabei ihre Mitgliedschaft klar bekennen, damit man weiß, mit wem man es zu tun hat. Flyer und Fahnen dieser Organisationen sollten auf Demos und Aktionen verteilt und gezeigt werden dürfen.
Wir möchten über diese Forderungen mit den Aktivist*innen der FFF Bewegung diskutieren und setzen uns auch weiterhin für demokratische Strukturen und radikale Positionen der Bewegung ein.